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Wir müssen die Freiwilligkeit gegen die Hauptamtlichkeit verteidigen

mas-09-2016sw_0130Kommentar zum Freiwilligentag 2016
– von Martin Schuler –

Nach wie vor unterliegen die Städte und Gemeinden im Werra-Meißner-Kreis einem Spardiktat oder sind gar über einen „Rettungsschirmvertrag“ zum radikalen Rückzug aus allen sogenannten freiwilligen Leistungen gezwungen.  Weniger Verwaltung, weniger Aufgaben, weniger Verschwendung, weniger Schulden, weniger Steuern – die Grundidee dieser  neoliberalen Politbürokraten-Logik scheint zunächst plausibel und verfängt sogar bei den Wählern – zumindest bis sie bemerken, was das für ihren Alltag bedeutet. Denn in der Praxis schleicht sich die öffentliche Hand vielerorts schlicht aus ihrer Verantwortung für das gesamte nicht gesetzlich geregelte Gemeinweisen!  Zieht sich zurück auf die Kernaufgaben hoheitlicher Ordnungsverwaltung und eine lokale Mannschaft hauptamtlicher Vollstrecker. Die zurückgelassenen Aufgaben, so ist es jetzt von Politikern, Landräten und Bürgermeistern oft zu hören, sollen künftig Ehrenamtliche und Freiwillige leisten.  Gerade zum kreisweiten Freiwilligentag sollte es erlaubt sein, den Herren einmal nachdrücklich und fundiert die Leviten zu lesen.

Betrachten wir zunächst die Begriffe. Freiwillige Leistungen im Sinne der öffentlichen Haushaltslogik sind all die Dinge, zu denen nicht irgendeine „öffentliche Hand“ kraft eines Gesetzes zu irgendeiner Art von Leistung (Finanzierung, Erstellung, Unterhaltung, Sicherung, Personal …) verpflichtet ist. Und da nun mal nirgends dezidiert in einem Gesetz steht, dass z.B. Schwimmbäder Pflicht sind, auch wenn es Konsens ist, dass bitte alle Kinder Schwimmen lernen sollen, erscheint ein Schwimmbad heute nicht mehr als selbstverständlich notwendige städtische Einrichtung – sondern als kostenträchtiges Überbleibsel einer verschwenderischen Vorgängergeneration. Für Schwimmbäder ist kein Platz mehr in den ordnungsgemäß ausgeräumten öffentlichen Haushalten.  Bürokraten mögen das Konsolidierung nennen, für mich ist das Verwaltungsversagen.

Ehrenamtlichkeit ist auch so ein Begriff. Im engeren Sinne versteht man darunter Freiwillige, die unbezahlt öffentliche Ämter und Funktionen innehaben. Klassisch Ehrenamtliche begegnen uns als Stadtverordnete, Vereinsvorsitzende und Übungsleiter, aber auch ehrenamtliche Rettungshelfer und Schöffen leisten bereits jetzt unverzichtbare, die hauptamtliche Staatlichkeit notwendig ergänzende Arbeit. Im Begriffe Ehrenamt kommen also Amt, sprich öffentliche Funktion, und Ehre, sprich unbezahlte freiwillige Arbeit zu Gunsten des Gemeinwesens, zusammen. Zudem werden Ehrenamtliche nicht im klassischen Sinn bezahlt, ihnen wird lediglich der Aufwand entschädigt. Mit etwas Verstand wird man von diesen längst engagierten Mitbürgern kaum noch mehr freiwillige Arbeit erwarten dürfen. Interessanterweise hat sich der Sprachgebrauch des Adjektivs merkwürdig verschoben: Von ehrenamtlicher Arbeit spricht man heute gemeinhin schon, wenn die Leistung für das Gemeinwesen nicht bezahlt wird bzw. sie den öffentlichen Haushalt nicht belastet.

Insofern sollen also, nimmt man Politiker, Landräte und Bürgermeister beim Wort, bislang unbekannte Freiwillige künftig bitte kostenlos jene Arbeit leisten, aus denen sich die öffentliche Hand zurückgezogen hat. In der Konsequenz führt das zu Zwangsfreiwilligkeit – einem Wort das es im Deutschen nicht einmal gibt. Wären es nicht unsere Spiel- und Bolzplätze, Grillhütten, Vereinsheime, Rasenflächen und Friedhöfe, wäre es nicht unser Gemeinwesen, für das unsere hochbezahlten hauptamtlichen Politbürokraten zeitgeistbeflissen die Verantwortung verweigern, wir würden aus Trotz alles vergammeln lassen! Mähen wir unsere Sportplätze eben selbst. Wie lange wir uns diese dreiste Kombination aus Leistungsverweigerung und Zwangsfreiwilligkeit gefallen lassen, ist eine ganze andere Frage. Es scheint an der Zeit, die Freiwilligkeit gegen die Hauptamtlichkeit verteidigen zu müssen.

WINDERNERGIE FÜR NORD- UND OSTHESSEN

Bildausschnitt aus dem "Avifauna-Konzept zum Teilregionalplan Energie Nordhessen".
Bildausschnitt aus dem „Avifauna-Konzept zum Teilregionalplan Energie Nordhessen“.

Windernergiekonzepts für Nord- und Mittelhessen
Mit der gestrigen 2. Offenlegung des von der Regionalversammlung Nordhessen gebilligten Windernergiekonzepts für Nord- und Mittelhessen kommt der Planungsprozess um konkrete Windkraftstandorte in der Region in die entscheidende Phase. An zehn früheren Standorten wurden die Windkraft-Flächen reduziert.
Vom 16.03. – 29.05.2015 liegt die offiziell „Avifauna-Konzept zum Teilregionalplan Energie Nordhessen“ benannte Plangrundlage zur öffentlichen Einsichtnahme im Regierungspräsidium aus. Natürlich kann man die Unterlagen auch bequem online einsehen.

Regionalplanung und Bürgerbeteiligung
Während dieser über das Planungsrecht vorgeschriebenen Offenlegung sollen Betroffene und Interessierte Einblick in die Planung nehmen und Einwände vortragen können. Insofern dient eine solche Offenlegung der Planungstransparenz und implizit auch der demokratischen Bürgerbeteiligung. Bürger, z.B. betroffene Anwohner, aber auch Interessenverbände, z.B.Umwelt- und Naturschutzorganisationen, haben jetzt Gelegenheit, ihre Einwände im Lichte der aktuellen Planung vorzutragen. Üblichwerweise sichten, sortieren und vorbewerten die Fachbehörden nach der Offenlegung die vorgetragenen Hinweise und Einwände und tragen sie wiederum der Regionalversammlung vor. Vielleicht wird der Plan im Detail sogar noch einmal geändert. Aber am Ende, so ist demokratische Planung vom Gesetzgeber vorgesehen, wird die Regionalversammlung das Windenergiekonzept  – trotz teilweise gar virtuos vorgetragener Einwände – mehrheitlich verabschieden (bürokratisch: „den Plan feststellen“). Und ihn damit zur Rechts- und Planungsgrundlage künftiger Windkraftanlagen und Windräder erheben. Erst dann können Windkraft-Initiativen und Unternehmen auf verlässlicher Grundlage investieren.

Planung als demokratischer Prozeß
Diese Eigenart administrativer Planung ist sowohl für Befürworter (die Windräder bauen bzw. unterstützen) wie Windkraft-Gegner frustrierend. Die einen warten auf den Start lange vorbereiteter Projekte. Die anderen erwarten, wie jetzt die Windraftgegner von Vernunftkraft, dass man die gesamte Planung als politischen Irrweg erkennen möge. Obschon demokratische Prozesse eigentlich keine Verlierer kennen, erscheint es den „Unterlegenen“ nicht selten als bräche die Macht die Vernunft.

Windkraftgegner und „Vernunftkraft“
Wie als Beweis dieser These scharen sich hessische Windkraftgegner derzeit hinter der Überschrift „Vernunftkraft“ in einem Bündnis hessischer Bürgerinitiativen. Sie zeichnen auf ihrer Webseite eine „Chronologie der Zerstörung einer Naturlandschaft“, erwirken als Vogelschützer Rodungsverbote gegen Windkraft-Firmen und organisieren hessenweit Demonstrationen „für vernünftige Energiepolitik“. Fröhlich paktiert man bei „Vernunftkraft“ mit abgehalfterte FDP-Politikern und bezahlten Industrie-Lobbyisten und Erderwärmungsleugnern wie Dieter Ameling. Willkommen scheint jeder, der sich hinter dem Postulat „die Energiewende ist ein politischer Irrweg, also ist es jedes Windrad auch“ einordnet.

Anmaßendes Wutbürgertum
Ich halte dieses Denken für anmaßend, falsch und undemokratisch! Anmaßend schon deshalb, weil niemand die Vernunft für sich gepachtet hat. Falsch, weil man implizit allen Andersdenkenden (Winkraftbefürwortern wie demokratisch legitimierten Planern und Entscheidern) Vernunft und Kompetenz abspricht. Und undemokratisch, weil man sich im Wissen höherer Vernunft weder dem politischen Mehrheitswillen (Energiewende) noch seiner Konkretiserung (Windräder) beugen will.

Detailliere Einsicht in das Windenergiekonzept finden Interessierte auf der Webseite des RP
http://www.rp-kassel.hessen.de

Die Position hessischer Windkraftgegner finden Sie hier
http://www.vernunftkraft-hessen.de/

Autobahn A44 – eine kleine deutsche Geschichte

masDie Geschichte „unserer“ Autobahn, also jenes Teilstücks zwischen Kassel und Eisenach,  das uns als Anwohner zuerst interessiert, reicht – für den Verfasser unerwartet – weit in die deutsche Geschichte zurück.  Tatsächlich gibt es keine Alternative, als sie in diesem Kontext zu erzählen, mit Bezug zu Geschichte und Politik unseres Landes und dessen Folgen für unseren Landstrich im Herzen Deutschlands.  Sonst kann sie nicht verstanden werden.

Eschwege ist gewiss nicht Schilda, und der Werra-Meißner-Kreis lag vor der deutschen Einheit tatsächlich im Westen – auch wenn das der eine oder andere unbedarfte Besucher im Jahr 2015 kaum glauben mag. Trotzdem ist hier manches anders als anderswo – und das hat tatsächlich viel mehr mit Deutschland zu tun als man zunächst denkt. Denn die meisten Dinge, die unsere Raumschaft nachhaltig verändert haben, wurden und werden schon immer ohne unser Zutun andernorts entschieden.

Ein typisches Beispiel ist die Medienlandschaft:  Nach der Übernahme der zweitgrößten hessischen Tageszeitung HNA 2002, der Übernahmen des  ExtraTip (Kassel) und des MB Media Verlages (Witzenhausen),  wurden nordhessische Tageszeitungen und Anzeigenblätter konsequent in die Verwertungslogik der Ippen-Gruppe eingereiht.  Auch die Inhalte der Werra-Rundschau (Eschwege) und der Hersfelder Zeitung werden heute von der Ippen Digital GmbH & Co. KG in München verantwortet. Die meisten Printprodukte der Region sind heute aber auch kaum mehr als ein Feigenblatt für die um ein vielfaches umfangreichere Beilagenwerbung. Kritische Redaktion ist in diesem System die Ausnahme, Region und Raumschaft  sind lediglich vertriebliche Organisationseinheiten, regionale Verbundenheit oft nicht mehr als eine geschickte Simulation.

Wie dem auch sei. Derzeit entsteht unsere subjektive Geschichte der A44 durch unseren Landkreis als „work in progress“.   Wer Lust dazu hat, kann uns bei der Arbeit beobachten. Auch Fotos, Tipps, Hilfe und Kommentare sind willkommen.

>>> AUTOBAHN A44

Ungeschminkte Meinung aus dem Werra-Meißner-Kreis

masLiebe Leserinnen und Leser,

dieser Blog ist kein Organ des Werra-Meißner-Kreises (kurz: WMK), weder der Kreisverwaltung noch der Kreisstadt Eschwege. Das Gegenteil ist Programm: Im besten Wortsinne respektlose Meinung zu dem was hier im WMK ist, entsteht, sein könnte oder versäumt wird. Freie Meinung jenseits der öffentlichen Verlautbarungen, der Blättchen und sogenannten Tageszeitungen.

Themen und Ideen haben wir reichlich, sonst bedüfte es ja keines eigenen Blogs. Nachgerade zwingend sind die Themen NATUR, Autobahn A44 und BIER. Ganz einfach: Wir leben hier mitten im Ersten und reden beim Dritten über das Zweite. Politisch wird man zudem an den Themen Windkraft und Modernisierung/Digitalisierung kaum vorbei kommen.

Wir ist zunächst ein überschaubarer Kreis dreister Lokalpatrioten. Damit wir nicht mit rechten Schwachköpfen verwechselt werden, verzichten wir bewußt auf den Namen „Patriotische Einheimische für den Werra-Meißner-Kreis“, obschon das mit PEFDWMK ein schönes Kürzel gegeben hätte. Auch von Demonstrationen sehen wir einstweilen ab, dafür ist es hier um den Hohen Meißner herum ohnehin die meiste Zeit des Jahres zu kalt. Wir setzten vielmehr auf die Kraft der Worte und Bilder – und die Reichweite moderner Kommunikation. Dabei werden wir uns und unsere Anliegen so ernst nehmen wie nötig – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Wir sind politisch nicht festgelegt. Was uns eint, ist lediglich die Gewissheit, dass hier (wie fast überall anders auch) nichts besser wird, wenn es einfach so seinen „geregelten sozialistischen Gang“ geht.

Wir freuen uns auf Ihre, auf Eure Rückmeldung, auf Meinung, jeden Zuspruch – und werden sicher auch den einen oder anderen Widerspruch verkraften.